Die Bundeskonferenz möge beschließen: 

Grundlegendes:
Das deutsche gesetzliche Rentenversicherungssystem basiert auf einem ungeschriebenen Vertrag zwischen den Generationen. Dieser Generationenvertrag soll garantieren, dass die aktuelle Erwerbstätigengeneration die Altersbezüge der heutigen Rentnergeneration finanziert. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute bauen wiederum darauf, dass ihre Altersversorgung von der nachfolgenden Generation finanziert wird. Diese Übereinkunft stellt in Deutschland die Basis der sozialen Sicherung im Alter dar. 

Wir stellen fest:
Die aktuelle rentenpolitische Diskussion zeigt, dass die Zukunftsfähigkeit eines der wichtigsten Zweige des deutschen Sozialversicherungssystems in einer breiten Öffentlichkeit zunehmend in Frage gestellt, teilweise sogar als gescheitert angesehen wird. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird befürchtet, dass dieses System der sozialen Sicherung an seine Grenzen stößt. Denn eine stetig wachsende Zahl an Rentenempfängerinnen und Rentenempfängern mit länger dauernden Rentenbezügen steht einer nicht in gleichem Maße gestiegenen und bald schon sinkenden Zahl an Menschen im Erwerbsalter gegenüber. Während im Jahr 1962 das Verhältnis von Beitragszahlenden zu Bezieherinnen und Beziehern der gesetzlichen Rente bei 6:1 lag, befand es sich im Jahr 2014 bei einem Verhältnis von nur noch 2:1.¹ Diese Relation wird sich in Zukunft noch stärker verschieben. Laut Statistischem Bundesamt wird der Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 20 und 64 Jahren ab dem Jahr 2020 deutlich abnehmen.² Durch eine sinkende Gesamtbevölkerung, die zudem immer älter wird, entsteht eine Deckungslücke in der Rentenfinanzierung. Dies soll durch ein geringeres Rentenniveau, also ein Absenken der durchschnittlichen Rentenbezüge im Verhältnis zum durchschnittlichen Lohn der Erwerbstätigen, sowie durch die Erhöhung des Renteneintrittsalters kompensiert werden. Außerdem ist zu erwarten, dass zusätzliche finanzielle Lasten (u.a. Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge) in den kommenden Jahrzehnten auf die junge Generation zukommen. 

Das stetig sinkende Rentenniveau reduziert das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Von politischer Seite gelingt es nicht, das Rentenniveau bei gleichbleibenden Rentenversicherungsbeiträgen auf einem stabilen Niveau zu sichern. Zukünftigen Rentnergenerationen bleibt bestenfalls ein Mindestmaß an sozialer Sicherung im Alter. Stattdessen wurde seit dem Jahr 2001 die Absicherung im Alter um eine marktorientierte private Zusatzversorgung erweitert – die sogenannte staatlich geförderte Riester-Rente. Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und die teilweise vorhandene betriebliche Altersvorsorge sind damit nicht mehr alleinig für die Absicherung im Alter verantwortlich. Dieser Paradigmenwechsel bedeutet: Langfristig lässt sich ein über die reine Grundsicherung hinaus reichender Ruhestand nur über zusätzliche private Rücklagenbildung bewerkstelligen. 

Daraus ergeben sich folgende Fragstellungen innerhalb des Verbands und an die Politik:

  • Wie kann sichergestellt werden, dass ohne zusätzliche private Altersvorsorge eine finanziell abgesicherte Altersphase möglich wird?
  • Warum zahlen nicht alle Bundesbürgerinnen und Bundesbürger in die gesetzliche Rentenversicherung ein?
  • Wie können andere Versorgungssysteme (z.B. von Beamtinnen und Beamten sowie freiberuflich Tätigen) in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden?
  • Welche Funktion soll die gesetzliche Rentenversicherung in Zukunft erfüllen?
  • Wie können junge Menschen von Beginn der Arbeitsphase an relevante Anwartschaften erwerben
  • Gibt es eine rentenpolitische Perspektive auch für die Zeit nach 2030?
  • Welche Gedanken gibt es zur Flexibilisierung des Renteneintrittsalters / der Lebensarbeitszeit?
  • Warum werden Rentenversicherungsbeiträge nicht auch auf andere Einkommensarten erhoben?
  • Wie kann eine bessere Sensibilisierung für junge Menschen zur Rententhematik erfolgen?
  • Warum ist das Rentenmodell der katholischen Verbände für uns ein zukunftsfähiges Modell?
  • Warum wird das Rentenmodell der katholischen Verbände nicht von der Politik umgesetzt? 

Arbeitsauftrag:
Hiermit will die AG heute für morgen einen verbandlichen Diskussionsprozess auf allen Ebenen und allen Gremien des Kolpingwerkes und der Kolpingjugend anstoßen. Damit möchte die Kolpingjugend einen ersten Schritt machen, um sich mit der Thematik der Generationengerechtigkeit intensiv zu befassen. Auf Grundlage dessen soll die Kolpingjugend es sich zur Aufgabe machen, eine kritische Auseinandersetzung mit der Zukunftsfähigkeit des deutschen Rentensystems auf den verschiedenen verbandlichen und politischen Ebenen zu fördern. 

Generationengerechtigkeit ist ein komplexes Thema. Um im Kontext der Bundestagswahl 2017 bereits die Frage einer generationengerechten Alterssicherung in die Aktion von Kolpingwerk und Kolpingjugend zur Bundestagswahl einfließen zu lassen, stellt die AG heute für morgen das Thema Rente in den Vordergrund. Dazu soll sie als Ergebnis intensiver Beratungen bis zur Buko 2017-1 mögliche Vorschläge zur inhaltlichen Positionierung der Kolpingjugend in Bezug auf die Frage der Alterssicherung einbringen. Dies soll im Rahmen der Buko 2017-1 intensiv behandelt werden.

Redaktionelle Anpassungen der Fragestellungen kann die AG heute für morgen vornehmen. 

Begründung: 

Die Kolpingjugend nimmt die aktuelle Rentendiskussion in Politik und Gesellschaft zum Anlass, um sich in die Debatte zur Zukunftsfähigkeit einer über die Generationen gerechten Sicherung der gesetzlichen Rente einzubringen. Weitere Aspekte von Generationengerechtigkeit, wie z. B. Arbeitswelt, Bildung, Zuwanderung etc. sollen in zusätzlichen Beratungen und inhaltlichen Auseinandersetzungen in der AG erarbeitet werden.

Abstimmung: Der Antrag wird einstimmig angenommen. 

¹ Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2014): http://www.bib-demografie.de/DE/Aktuelles /Presse/ Archiv/2014/2014_06_rente.html
² Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands – 13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung (2015), S. 20 ff.