Vertrauen stärken – Rentensystem zukunftssicher umbauen

Die Bundeskonferenz legt sich auf folgende Grundsätze für ein gerechteres und solidarisches System zur Altersvorsorge fest:

Wir stellen fest, dass viele Jugendliche das Vertrauen in das deutsche Rentensystem verloren haben. Während die Gesetzliche Rente bisherigen Generationen von Rentnerinnen und Rentnern weitestgehend die Sicherung ihres Lebensstandards über die Erwerbsphase hinaus garantierte, befürchten viele junge Menschen, dass ihre eigene Rente nicht einmal mehr zur Grundsicherung ausreichen wird. Vor dem Hintergrund des schon damals zunehmenden demografischen Drucks in der Gesetzlichen Rentenversicherung wurde im Zuge der Rentenreform von 2001 klargestellt, dass die Gesetzliche Rente nur noch ein Bestandteil zur Sicherung des Lebensstandards in der Altersphase sein kann. Seitdem wurde das Prinzip Eigenverantwortung propagiert: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten eine zusätzliche private Altersvorsoge betreiben, da ein lebensstandardsichernder Ruhestand, der ausschließlich auf den Bezügen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung basiert, nicht mehr ohne Weiteres garantiert werden konnte.

Um insbesondere jungen Menschen das Vertrauen zurückzugeben, bedarf es einer grundlegenden und weitreichenden Rentenreform, die sich von den oft kleinteiligen Reformen der vergangenen Jahrzehnte unterscheidet. Das Umlageverfahren, dessen Vorteile in der zurückliegenden Finanzkrise und der aktuellen Niedrigzinsphase deutlich wurden, soll nach wie vor ein Hauptbestandteil der gesetzlichen Rentenversicherung sein. Um jedoch dem immer größer werdenden Problem der Altersarmut vorzubeugen, bedarf es weiterer solidarischer Grundsicherungsmechanismen, die gemeinschaftlich alle Bürgerinnen und Bürger miteinbeziehen.

Bei der anstehenden und notwendigen Reform des Rentensystems, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:

Grundsicherung durch eine steuerfinanzierte Sockelrente

Der Anteil der über 65-Jährigen, die im Alter armutsgefährdet sind, nimmt zu. "Während 2006 jeder zehnte Ruheständler von Altersarmut bedroht war, war es 2013 schon jeder siebte. Besonders häufig betroffen sind Frauen, Alleinstehende, Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund.“¹ Die Vorschläge der etablierten Parteien, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sehen wir nicht als ausreichend an. Anstelle der in den Parteien diskutierten Vorschläge, die für langjährig Versicherte lediglich eine Mindestrente erbringen wollen, fordern wir für alle eine rein steuerfinanzierte Sockelrente in Höhe des soziokulturellen Existenzminimums. Wir glauben, hierdurch allen Menschen, die das Vertrauen in das System verloren haben, mit der Sockelrente eine Sicherheit für ihre Altersphase zurückzugeben.

Leistungsgerechtigkeit durch eine Erwerbstätigenversicherung 

Auf die steuerfinanzierte Sockelrente aufbauend werden in einer umlagefinanzierten Erwerbstätigenversicherung weitere Rentenanwartschaften erwirtschaftet. Um eine durchgängige Solidarität in der Gesellschaft zu schaffen, muss es langfristig das Ziel sein, außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgungssysteme aufzulösen und alle Bürgerinnen und Bürger in einem einheitlichen System der Erwerbstätigenversicherung zu versorgen. Hierzu wäre eine Stichtagslösung denkbar.

Die Erwerbstätigenversicherung soll zusammen mit der o.g. Sockelrente nicht nur Altersarmut verhindern. Sie soll den bisherigen individuellen Lebensstandard der Beitragszahlenden sichern. Hierbei soll das Äquivalenzprinzip gewahrt werden, nach dem sich die Höhe der im Ruhestand ausgezahlten monatlichen Rente nach der Höhe und Dauer der im Erwerbsleben gezahlten Beiträge bemisst.

Flexibilisierung des Renteneintritts

Das Renteneintrittsalter muss dynamisch an die Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung gekoppelt werden. Jedoch ist nach 45 Beitragsjahren ein vorzeitiger abschlagsfreier Renteneintritt möglich. Neben der Erwerbstätigenversicherung beginnt dann auch der Bezug der Sockelrente. Durch diese Regelung wird einem frühen Berufseinstieg Rechnung getragen.

Um eine individuellere und selbstbestimmtere Altersphase zu ermöglichen, soll das bestehende Prinzip flexibler Renteneintritte weiter ausgebaut werden.

Leistungen junger Menschen stärker berücksichtigen

Schulische Ausbildungsgänge und ein Erststudium bis zur Regelstudienzeit müssen angemessen berücksichtigt werden, um entstehende Lücken in der Erwerbsbiografie auszugleichen. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass auch in einer schulischen Ausbildung bzw. einem Studium bereits Leistungen erbracht werden, welche es im Hinblick auf die spätere Rente eines jeden Einzelnen zu berücksichtigen gilt.

Um im Alter einen finanziell sorgenfreien Ruhestand genießen zu können, bleibt es unerlässlich, dass junge Menschen in ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen angestellt sind. Der Einstieg in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis nach Ausbildung oder Studium muss der Regelfall sein. Junge Menschen dürfen nicht durch Praktika, Honorartätigkeiten oder Minijobs ausgebeutet werden. Denn auch dies stellt eine entscheidende Hürde auf dem Weg zu einer auskömmlichen Rente dar.

Rente muss schon für junge Menschen Thema sein

Um junge Menschen schon frühzeitig für die Altersvorsorge zu sensibilisieren, muss dieses Thema bereits im Schulunterricht behandelt werden. Dazu sollte in der Kultusministerkonferenz eine Verständigung zur bundesweiten Umsetzung erfolgen. Ebenfalls in der non-formalen Bildungsarbeit, wie z.B. in der Arbeit der Kolpingjugend, muss das Rentensystem in den Mittelpunkt gerückt werden. Zur Unterstützung fordern wir die Rentenversicherungsträger und die Bundesregierung auf, Materialien in zielgruppengerechter Sprache zur Verfügung zu stellen.

Mit diesen Ideen sehen wir auch für die Zeit nach 2030 eine rentenpolitische Perspektive, die zukunftssicher und generationengerecht ist und vor allem die junge Generation entlastet, weil die Grundabsicherung im Alter nachhaltig und transparent gesichert ist.

Diese Grundsätze sollen in die inner- und außerverbandliche Diskussion getragen werden, unter anderem in die AG Rente des Kolpingwerkes Deutschland sowie in Gespräche mit Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern und Rentenexpertinnen und -experten.

 

Beschlossen durch die Bundeskonferenz

Münster, 19. März 2017