"Demokratie schmeckt uns"

Erklärung der Bundesleitung der Kolpingjugend Deutschland bei Sternenklar am 29. September um 12 Uhr auf dem Roßmarkt in Frankfurt am Main 

Unter dem Motto „Verantwortung ergreifen. Willkommen heißen!“ hatten wir zum Kolpingtag 2015 vor allem junge Menschen aufgerufen, ein Zeichen für eine frohe Willkommenskultur und gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Mit unserer Aktion "Verantwortung ergreifen. Willkommen heißen!" haben wir über den Kolpingtag hinaus ein Zeichen für ein offenes Deutschland gesetzt. Dazu waren alle aufgerufen, Fremden die Hand zu reichen und gemeinsam Zeichen zu sein. Offen aufeinander zugehen tut unserer Gesellschaft gut!

Daran möchten wir mit einer Video-Collage von damals erinnern:

Video mit Sound: https://youtu.be/7Fgzg9cm92Q

Leider hat sich die Stimmung in unserem Land seit 2015 nicht zum Besseren verändert. Hierzulande, aber auch in vielen Teilen Europas, entwickeln sich seit geraumer Zeit gesellschaftliche Strömungen und Bewegungen, die – wie zum Beispiel Pegida – ganz offen fremdenfeindliche Hetze betreiben.

Auch im politischen Bereich ist es im letzten Jahr zu tiefgreifenden Veränderungen gekommen. Denn zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten ist mit der Alternative für Deutschland eine politische Kraft in den Deutschen Bundestag eingezogen, deren Mitglieder zum Teil unverhohlen unsere demokratische Ordnung in Frage stellen. Sie tun dies teilweise durch ihre Grundsatz- und Wahlprogramme. Sie tun dies vor allem aber durch gezielte Aussagen ihrer Vertreter. Wenn das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet wird, wenn man offen bekennt, dass man jemanden, wie Jérôme Boateng nicht als Nachbarn haben möchte, wenn man aus dem Dritten Reich entlehnte Begriffe wie „völkisch“ wieder in den üblichen Sprachgebrauch einführen will – dann gilt es für uns als Kolpingjugend, als überzeugte Demokratinnen und Demokraten, ein klares Zeichen dagegen zu setzen. Wir wollen nicht, dass rechtes Gedankengut in der Mitte unserer Gesellschaft „salonfähig“ wird!

Doch bleibt es nicht immer nur bei solchen ohnehin gefährlichen Phrasen. In den letzten Wochen ist es erneut zu Entwicklungen gekommen, die uns als Kolpingjugend zutiefst erschüttern: Fremdenfeindliche Aktionen und Protestmärsche, rechtsradikale Gewaltakte, ausländerfeindliche Hetze in der Öffentlichkeit sowie ausgrenzende Anfeindungen in den sozialen Medien. Rechtsextreme Aktionen verurteilen wir aufs Schärfste!

Wir leben in einer Zeit globaler Herausforderungen und Umbrüche, die zu Recht nachdenklich stimmen und sich auf vielfältige Weise auf unser Leben auswirken. Es gibt Menschen, die verunsichert und enttäuscht sind, sich vielleicht sogar abgehängt fühlen von Wohlstand, Sicherheit und gesellschaftlicher Teilhabe. Extreme Bewegungen und Parteien wissen genau diese Ängste und Vorurteile auszunutzen, um für ihr Weltbild zu werben. 

Es ist nicht an uns, pauschal all jene zu verurteilen, die – vielleicht auch aus Enttäuschung und Frustration – mit Pegida sympathisieren, vielleicht auch die AfD wählen. Wir rufen sie auf, die eigene Haltung und das eigene Handeln zu hinterfragen und für andere Meinungen offen zu sein. Und wir möchten sie davon überzeugen, dass es der falsche Weg ist, auf die Versprechungen und Verführungen rechter Populistinnen und Populisten hereinzufallen. Stattdessen braucht es den Mut, offen aufeinander zuzugehen, Sorgen und Ängste anzusprechen und im Miteinander auf Lösungen hinzuarbeiten. Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen und politischen Fehlentwicklungen darf nie dazu führen, dass man radikalen Rattenfängern anheimfällt!

Rechte Gruppierungen und Parteien versuchen ihren Vorteil aus den aktuellen Problemen in Europa und der zunehmenden Verunsicherung in der Bevölkerung zu ziehen. Gleichzeitig stellen sie ein geeintes Europa und dessen Werte in Frage und verbreiten ihre nationalistischen Gedanken. Mit ihren Beschlüssen hat die Kolpingjugend schon mehrfach ein klares Zeichen für ein geeintes Europa gesetzt. Für uns ist die Europäische Union mehr als nur ein Projekt. Sie ist ein Erfolgsmodell, das dazu beigetragen hat, Frieden und Stabilität zwischen den Völkern Europas fest zu verankern. Wir rufen zum Widerstand gegen alle Bewegungen auf, die sich gegen den europäischen Einigungsprozess wenden und die Rückkehr zu nationalen Alleingängen propagieren!  

In der Kolpingjugend gehen wir mit unserem Engagement von jungen Menschen für junge Menschen mutig voran, um das Bewusstsein für gesellschaftliches Handeln zu stärken. Ausgehend von der katholischen Soziallehre und dem Wirken unseres Verbandsgründers, Adolph Kolping, ist es unser Auftrag, nach dem Prinzip der Solidarität zu handeln. Dabei gilt es, insbesondere für junge Menschen Perspektiven zu schaffen, und allen Menschen die Partizipation an unserer Gesellschaft und ein Leben in Sicherheit und Frieden zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist eine ganzheitliche Bildung. Genau die wollen wir durch unsere Angebote und mit unserem Engagement ermöglichen.

Wir, die Kolpingjugend, sind Teil eines demokratisch verfassten Verbandes. Bei uns lernen junge Menschen, wie wichtig ein demokratisches Miteinander ist. Dabei lernt man auch, dass Demokratie gelegentlich schwierig sein kann. Aber letztendlich bleibt doch stets die Erkenntnis, dass nur sie es schafft, die unterschiedlichen Interessen der Menschen auf eine einzigartige, gerechte und friedliche Weise zusammenzubringen.

Wir setzen uns für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen, unabhängig von Herkunft oder Religion ein. Unsere Haltung gründen wir auf christliche Werte, dem Leitbild des Kolpingwerkes Deutschland und den Positionen der Kolpingjugend Deutschland. Wir wollen Nächstenliebe, Vielfalt und Gemeinschaft erlebbar machen. Ebenso leitend für unser Handeln und menschliches Zusammenleben sind die Prinzipien der Katholischen Soziallehre: Solidarität, Personalität und Subsidiarität.

Abschließend möchten wir dieses Statement mit einem Zitat unseres Verbandsgründers Adolph Kolping schließen. Adolph Kolping stellte schon im 19. Jahrhundert fest, dass es vor allem Mut bedarf, um etwas Gutes zu tun:

"[…] An uns nur ist es, nicht mit den Wölfen zu heulen, den politischen und sozialen Irrwischen als Schweif uns anzuhängen, sondern treu zur Fahne unseres Glaubens zu stehen, mutig in Tat und Wort zu bekennen, wessen Geistes – ich sage welcher Mutter – Kinder wir sind und im christlichen Gutestun nicht zu ermüden! Je bedrängter die Zeiten werden, um so größer wachsen tüchtige Herzen und niemals ist das Christentum auch öffentlich näher am Sieg, als wenn es in Opfern sich gleichsam erschöpfen muß." Adolph Kolping, KS 5, S.283