Jetzt ist sie da: die sogenannte "Ehe für alle"...

"Jetzt ist sie da: die sogenannte 'Ehe für alle' und ich bin mir noch nicht sicher, was ich davon halten soll."

Ein persönlicher Kommentar von Johannes Ebbersmeyer, aktiv auf Bundesebene der Kolpingjugend


Am Ende ging alles recht schnell. SPD, Grüne und Linke erhöhten den Druck nachdem die Kanzlerin ihren Kurswechsel vollzogen hatte und nach der Abstimmung im Bundestag am letzten Tag vor der Sommerpause im politischen Berlin besteht nun die Möglichkeit, dass homosexuelle Paare heiraten und eine Ehe schließen können. Das ist das geschaffene Faktum.

Mir stellt sich nach diesem Beschluss und der intensiven Diskussion in der vorangegangenen Woche die Frage, wie ich mich dazu positioniere. Auf der einen Seite denke ich mir: Klar, warum sollte die Liebe zweier Menschen gleichen Geschlechts nicht in gleicher Weise respektiert, anerkannt und von staatlicher Seite aus legitimiert werden? Immerhin geht es doch um die Übernahme von Verantwortung für einen Mitmenschen, mit dem man (fortan) sein Leben teilt. Auf der anderen Seite kommen mir aber auch gegenläufige Gedanken: Ist nicht das eigentliche Alleinstellungsmerkmal der Ehe, dass sie gerade aus dem Zuspruch zwischen Mann und Frau besteht? Stellt nicht diese Verbindung die Grundlage des familiären Lebens dar, indem aus einer solchen Ehe Kinder hervorgehen (können)? Nicht ohne Grund werden doch im Grundgesetz Ehe und Familie in einem Atemzug genannt und genießen den besonderen Schutz des Staates.

Ganz und gar überzeugt bin ich weder vom einen noch vom anderen. Die (katholische) Kirche ist da anders. Sie argumentiert von dem Standpunkt aus, dass die Ehe ausschließlich zwischen Mann und Frau begründet sein kann. Ihr Argument ist dabei die (gottgewollte) Hinwendung der beiden Geschlechter zueinander – die Ehe dient nicht zuletzt als der Ort, an dem Kinder gezeugt werden sollen. Diese Überzeugung kann ich zum gewissen Teil nachvollziehen, allerdings nicht ohne zugleich an die Ehen zu denken, die kinderlos bleiben – gewollt oder ungewollt. Haben diese Ehepaare das Ideal verpasst? Aus meiner Sicht muss eine Ehe mehr sein als die potentielle Möglichkeit eines geglückten Zeugungsaktes. Dennoch kann ich nicht außer Acht lassen, dass sich die Idee einer Ehe mit der Blickrichtung Familie wie es auch im Grundgesetz deutlich anklingt in meinem Kopf festgesetzt hat.

Allem Anschein nach bin ich mit diesen Emotionen und auch dem Nachgang der Argumente nicht allein, denn immerhin ist auch die Abstimmung im Bundestag alles andere als einstimmig ausgefallen (393 Ja-Stimmen zu 226 Nein-Stimmen). Nun ist der parlamentarische Akt erledigt; vorerst, denn einige Parlamentarier erwägen bereits ein mögliches Vorgehen beim Bundesverfassungsgericht.

Ob es soweit kommt und wie es dann weitergeht bleibt abzuwarten. Auch ich muss mich vielleicht noch etwas gedulden und an den Gedanken gewöhnen, dass die Institution Ehe nun offen ist für homosexuelle Paare. Für die Kirche bleibt das Sakrament der Ehe heterosexuellen Paaren vorbehalten, der staatliche Rechtsakt im Standesamt könnte der Kirche dabei streng betrachtet egal sein. Sie muss auch den Beschluss des Bundestages nicht gutheißen und bejubeln, aber die Zeichen der Zeit sollte sie erkennen: die meisten Menschen in diesem Land begrüßen den Entschluss. Es ist nun kirchlicherseits die Frage, wie man sich dazu positioniert und ob die Kirche nicht einen Schritt zu mehr Offenheit in diesen Belangen geht. Immerhin ist doch das Grundmotiv der Ehe – egal ob homo- oder heterosexuell – die Liebe und um die scheint es Gott doch im Leben der Menschen zu gehen.

Ein persönlicher Kommentar von Johannes Ebbersmeyer am 3. Juli 2017. In der Reihe der persönlichen oder politischen Kommentare nehmen einzelne Mitglieder der Kolpingjugend persönlich Stellung zu gesellschaftlichen, kirchlichen oder verbandlichen Themen. Die Kommentare sollen zur Auseinandersetzung anregen und dienen der Meinungsbildung. Sie müssen nicht mit der Position der Kolpingjugend Deutschland übereinstimmen.