Die Interessen junger Menschen im Fokus

Und wie soll Europa verwirklicht werden, wenn die Jugendlichen in ihm nicht ein gemeinsames Projekt und eine Darstellung ihrer eigenen Zukunft sehen?
(Jacques Delors, 1989)¹


In ihrer Rede zur Lage der Union hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 15. September 2021 angekündigt, das Jahr 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend zu erklären. Junge Menschen haben während der Pandemie für sich und für andere auf vieles verzichtet. Einige verpasste Erfahrungen kann ihnen niemand mehr zurückgeben. Das Europäische Jahr der Jugend soll deshalb auch eine Würdigung und Unterstützung junger Menschen und dessen sein, was sie in den vergangenen zwei Jahren während der Pandemie geleistet und ausgehalten haben.

Mit dem Europäischen Jahr der Jugend will die EU, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, Interessenträgern und jungen Menschen selbst, die Anliegen und Bedürfnisse junger Europäer*innen in den Fokus rücken. Maßnahmen, wie die EU-Jugendstrategie, der Aufbauplan Next Generation EU und die Konferenz zur Zukunft Europas sollen weiter vorangebracht und umgesetzt werden und nachhaltige Perspektiven für die Zukunft geschaffen werden. Inhaltlich geht es dabei vor allem um die EU-Jugendziele, insbesondere um die Themen Gleichstellung und Inklusion, Nachhaltigkeit, psychische Gesundheit und Wohlergehen sowie vernünftige Arbeitsplätze.

Als Bundesleitung der Kolpingjugend Deutschland begrüßen wir diese Initiative ausdrücklich und freuen uns über den Ausruf eines Europäischen Jahres der Jugend 2022. Die Anliegen und Interessen junger Menschen in den Fokus zu rücken und die Jugendperspektive auf allen Ebenen in die Politikgestaltung einfließen zu lassen, ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, nicht nur vor dem Hintergrund der Pandemie und der dadurch bedingten Einschnitte im Leben vieler junger Menschen.

Erklärtes Ziel der Europäischen Kommission ist es, die jungen Menschen in die Organisation dieses Jahres eng einzubeziehen. Dieses Ziel unterstützen wir auch als Kolpingjugend. Das europäische Jahr der Jugend kann dann ein Erfolg werden, wenn es gemeinsam mit denjenigen gestaltet wird, die von ihm profitieren sollen. Dafür ist es wichtig, Jugendverbände und Organisationen eng einzubinden, in einen echten Austausch zu treten und konkrete Perspektiven
zu eröffnen.

Vom 22. Oktober bis 22. November 2021 konnten interessierte junge Menschen an einer Umfrage² teilnehmen, in der Ideen und Vorschläge für das Europäische Jahr der Jugend eingereicht werden konnten. Wir müssen jedoch feststellen, dass diese Zeitspanne viel zu kurz war, um die Möglichkeit einer Teilnahme publik zu machen und eine repräsentative Reichweite zu erzielen. In der gesamten EU haben in diesem Zeitraum insgesamt nur 4.686 junge Menschen teilgenommen. Davon stammte eine deutliche Mehrheit aus Griechenland (1.739 Personen), deutlich weniger aus anderen Ländern (zum Vergleich, z.B.: 299 aus Deutschland, 87 aus Kroatien,14 aus Dänemark). Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden lebt zudem im städtischen Raum (81,1%).

Dies zeigt bereits deutlich, dass es mehr Anstrengung brauchen wird, um wirklich diejenigen zu erreichen, die gestärkt und gefördert werden sollen. Das Aktionsjahr darf keine Image-Kampagne der EU werden, sondern muss echte Beteiligung junger Menschen an politischen Entscheidungsprozessen ermöglichen und zusätzliche neue Initiativen schaffen, die über das hinausgehen, was ohnehin auf der europäischen Agenda steht. Das bedeutet, dass es auch neue Finanzierungsquellen geben muss und nicht nur eine Umschichtung von Geldern bestehender Jugendprogramme. Dazu gehört auch, Synergien mit anderen EU-Programmen und Politikfeldern anzustreben. Ein solcher politikfeldübergreifender Ansatz, der die Interessen junger Menschen in den Blick nimmt und berücksichtigt, muss auch nach 2022 fortgeführt werden.

Die Ziele der Kommission klingen jedoch vielversprechend. Mehr hochwertige Arbeitsplätze sowie Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, Förderung der Jugendarbeit, Digitalisierung, Klimaschutz und mehr Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen. Ein Jahr der Europäischen Jugend ist ein wichtiges Zeichen an junge Menschen, das hoffentlich eine weite Strahlkraft ausübt – inhaltlich, alle Politikbereiche erfassend und auch zeitlich, über das Jahr 2022 hinauswirkend. Als Bundesleitung der Kolpingjugend freuen wir uns darauf, selbst aktiv Teil dieses Prozesses zu sein, um das Jahr der Europäischen Jugend zu einem dauerhaften und nachhaltigen Erfolg zu machen.

Beschlossen durch die Bundesleitung der Kolpingjugend im Januar 2022.

¹ Rede von Jacques Delors vor dem Europäischen Parlament, 17. Januar 1989. Abrufbar unter diesem Link (letzter Zugriff am 24.01.2022)
² Die Ergebnisse der Umfrage sind hier abrufbar (letzter Zugriff am 24.01.2022)