Krieg, Krisen und Konflikte überschatteten das Jahr

Das Europäische Jahr der Jugend geht zu Ende. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen widmete das vergangene Jahr den jungen Menschen in ganz Europa, um ihnen Würdigung und Unterstützung entgegenzubringen für das, was sie in den vergangenen Jahren, insbesondere während der Corona-Pandemie, geleistet haben.

Das Europäische Jahr der Jugend sollte die Anliegen und Bedürfnisse junger Europäer*innen in den Fokus rücken und ihnen mehr Sichtbarkeit geben. Es sollte bestehende Maßnahmen, wie die EU-Jugendstrategie und die EU-Jugendziele, voranbringen und neue und nachhaltige Perspektiven für die Zukunft schaffen. Jungen Menschen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst politisch einzubringen und so die Perspektiven junger Menschen in alle Ebenen der Politikgestaltung einfließen zu lassen.

Schaut man auf das vergangene Jahr zurück, fällt die Bilanz jedoch ernüchternd aus. Für junge Menschen war 2022 kein gutes Jahr. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine überschattete die letzten Monate und dauert immer noch an. Das Leid von Kindern und Jugendlichen, die Flucht und Vertreibung erleben mussten und müssen oder den Tod von nahen Angehörigen, ist unvorstellbar groß. Selbst für diejenigen, die in der EU Schutz gefunden haben, bleibt es trotz vieler Hilfen und großen ehrenamtlichen Engagements sehr schwer.

Auch für junge Menschen in Deutschland fällt der Blick in die Zukunft, vor dem Hintergrund von Krieg, Inflation und Klimakrise, nicht positiv aus. Die im November 2022 veröffentlichte Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2022/23“ von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann und Jugendforscher Simon Schnetzer zeigt, wie sehr die junge Generation in Deutschland unter der Last zahlreicher Krisen leidet. Die Langzeitfolgen durch die Corona-Pandemie sind immer noch spürbar, gleichzeitig verdüstert sich der Blick in die Zukunft. Die größten Sorgen der Jugend sind Inflation, Krieg in Europa, Klimawandel, Wirtschaftskrise, Energieknappheit und Altersarmut. Die Jugend fühlt, dass die Jahre des Wohlstands vorbei sind.

2022 war auch kein gutes Jahr für den Klimaschutz. Viele Klimaaktivist*innen fordern nach wie vor größere Anstrengungen beim Klimaschutz und bewerten die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich als enttäuschend. Als Kolpingjugend fordern wir weiterhin ambitioniertere und wirksame Maßnahmen, um unser Klima zu schützen und die Schöpfung zu bewahren.

Europa braucht deshalb eine Sozial- und Wirtschaftspolitik, die zukunftsorientiert ist und die Anliegen und Bedürfnisse junger Menschen im Blick hat. Viele junge Menschen haben den Eindruck, dass Politik überwiegend von und für die ältere Generation gemacht wird und ihre Interessen vernachlässigt werden. Aufgrund des demografischen Wandels machen junge Menschen zudem einen immer kleineren Teil der Wahlberechtigten aus. Ein wichtiger Schritt war deshalb die Einführung des Wahlalters ab 16 bei Europawahlen, die die Kolpingjugend seit langem gefordert hat und die einen enormen Fortschritt für die europäische Demokratie darstellt. Als Kolpingjugend werden wir diesen Prozess weiter begleiten, europapolitische Bildung weiter fördern und insbesondere den Blick auf die anstehenden Europawahlen im Frühjahr 2024 legen.

Auch das Europäische Parlament hat in einer Entschließung im November 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend Stellung bezogen. Es fordert die EU-Kommission dazu auf darzustellen, welche konkreten Beiträge zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie 2019-2027 und der EU-Jugendarbeitsagenda während des Europäischen Jahres der Jugend vorgenommen wurden und aufzuschlüsseln, welche der beschriebenen Aktivitäten ohnehin stattgefunden hätten oder bereits bestanden und welche neu initiiert wurden. Ebenso weist das EU-Parlament darauf hin, dass die Ankündigung zum Jahr der Europäischen Jugend zu kurzfristig erfolgte, um die Zivilgesellschaft rechtzeitig umfassend einzubeziehen und Vorbereitungen treffen zu können. Deshalb fordert das Europäische Parlament die Kommission in seiner Entschließung auch dazu auf, das Europäische Jahr der Jugend noch „bis zum nächsten Europatag am 9. Mai 2023 zu verlängern“. Als Bundesleitung der Kolpingjugend Deutschland unterstützen wir diese Anliegen.

Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Anliegen und Meinungen junger Menschen in der Politik berücksichtigt werden und Eingang in Entscheidungen finden. Junge Menschen sind unmittelbar von der heutigen Politikgestaltung betroffen. Deshalb sollten sie nicht nur angehört, sondern aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Jugendarbeit leistet hierfür einen wesentlichen Beitrag, in dem sie junge Menschen fördert und befähigt, sich zu engagieren und einzubringen. Deshalb setzen wir uns als Kolpingjugend regelmäßig dafür ein, dass der Wert der Jugendarbeit besser anerkannt sowie unterstützt und gefördert wird.

Das Europäische Jahr der Jugend hat junge Menschen nicht in Aufbruchstimmung versetzt. Trotzdem sollten wir Bilanz ziehen, die Ergebnisse und Entwicklungen des Jahres auswerten und für zukünftige Jahre der Jugend daraus lernen. Doch ganz gleich, wann das nächste Jahr der Jugend stattfinden wird – die Anliegen und Interessen junger Menschen sollten nicht nur im Jahr der Jugend Eingang in politische Prozesse finden, sondern an jedem Tag. Dafür setzten wir uns auch als Bundesleitung ein.

Beschlossen durch die Bundesleitung der Kolpingjugend im Januar 2023.