Kein Rechtsruck mit der Kolpingjugend!
Die Kolpingjugend Deutschland versteht sich als demokratischer, offener und toleranter Jugendverband. Mit unserem politischen Handeln stehen wir für eine demokratische Gesellschaft ein, welche die Grund- und Teilhaberechte jedes*r Einzelnen schützt – unabhängig von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Geschlecht oder Behinderung. Unsere Basis ist das Grundgesetz, das Fundament unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie unser christlicher Glaube, der für uns den Auftrag beinhaltet, jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit anzunehmen, jeden Menschen mit seinen Potenzialen und Talenten zu betrachten und jeden Menschen als Geschöpf Gottes anzuerkennen. (1)
Der massive Rechtsruck, den wir aktuell deutschlandweit beobachten, die Normalisierung von rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen Aussagen und die oft damit einhergehende gewaltvolle Sprache besorgt uns.
Besonders zum Handeln spornt uns an, dass diese Entwicklungen bei vielen Wähler*innen und auch bei einigen Politiker*innen auf Zuspruch stoßen:
Die AfD gewinnt sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene an Unterstützung. Im August 2023 konnten sich 21 Prozent der Wahlberechtigten vorstellen, die AfD zu wählen. Gleichzeitig übernehmen andere politische Akteur*innen und Parteien immer wieder Forderungen und Sprache der AfD, oder es wird gar vorgeschlagen, mit der AfD zusammenzuarbeiten.
Daher sehen wir uns in der Pflicht, uns noch deutlicher zu positionieren und uns entsprechend unserer Überzeugungen für eine inklusive und demokratische Gesellschaft einzusetzen. (2)
Die AfD als rechtsextreme, antidemokratische Partei benennen
Immer wieder wird betont, dass die Abgeordneten der AfD in Stadt- und Kreisräten, in Landesparlamenten und im Bundestag durch demokratische Wahlen legitimiert seien. Demnach sei die Partei an sich demokratisch und könne Partner*in für die Gewinnung von Mehrheiten sein.
Dies sehen wir anders. Zwar sind die Mandate der AfD-Abgeordneten in demokratischen Wahlen gewonnen worden, die Partei an sich handelt jedoch antidemokratisch und widerspricht demokratischen Grundsätzen.
Für unsere Bewertung stützen wir uns unter anderem auf aktuelle Entscheidungen des Bundesamts für Verfassungsschutz, zuständiger Gerichte und aktuelle Forschungsergebnisse zu Rechtsextremismus ebenso wie auf die verbandseigene Beschlusslage und die unserer Dachverbände.
Die Junge Alternative (JA), die Jugendorganisation der AfD, wurde Ende April vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. (3)(4) Der AfD-Landesverband Thüringen gilt bereits seit 2021 als gesichert rechtsextrem. Gesichert rechtsextrem bedeutet, dass dem Verfassungsschutz nach mehrjähriger Beobachtung ausreichend Anhaltspunkte vorliegen, die belegen, dass eine Organisation oder eine Person verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. (5)
Im März 2022 bestätigte das Verwaltungsgericht Köln in erster Instanz die Einstufung der Bundes-AfD als Verdachtsfall. (6) „Das ist möglich, wenn ein Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegt, die Organisation also vermutlich extremistische Ziele verfolgt.“ (7) Das heißt auch in Bezug auf die Bundespartei gibt es bereits hinreichende Anhaltspunkte, die vermuten lassen, dass ihre Akteur*innen rechtsextreme, verfassungsfeindliche und damit antidemokratische Ziele verfolgen.
Diese Haltung zeigt sich sowohl in politischen Programmen als auch im politischen Handeln der Parteimitglieder:
- Die AfD verbreitet ein völkisches und autoritäres Weltbild. Sie vertrittdie ideologische Vorstellung eines deutschen Volkes, das sich selbsterhalten und von äußeren Einflüssen schützen muss. Diese Ideologie istklar rassistisch und nationalistisch. Sie ist angelehnt an die Blut- undBodenideologie der nationalsozialistischen Politik, die sich in den 1920erJahren durch Unterdrückung, Gewalt und Repressalien äußerte und in den1930er und 1940er Jahren Krieg, Vernichtung und unvorstellbares Leid überdie Welt gebracht hat. (8)
- Die AfD ist antieuropäisch. Dies zeigt sich durch die Äußerung im Grundsatzprogramm, das eine Umgestaltung der EU fordert. Darin hält sich die Partei den Austritt Deutschlands aus der EU als Mittel zur Durchsetzung ihrer Politik offen. Außerdem fordert die Partei die Abschaffung des Euro-Währungsbunds. (9)
- Die AfD diffamiert die demokratische Parlamentsarbeit und versucht sie zu diskreditieren. Dies zeigt sich vor allem in ihren Äußerungen über andere Parteien, die sie als „Altparteien“ darstellt und denen sie häufig Korruption vorwirft. Dadurch versucht die Partei das Vertrauen in demokratische Institutionen gezielt zu untergraben. (10)
- Die AfD versucht gezielt, Jugendverbandsarbeit zu delegitimieren. In kleinen und großen Anfragen diffamieren sie Jugendverbände, die sich für Demokratie und eine offene Gesellschaft einsetzen, als Linksextremist*innen. Zudem stellen sie Förderprogramme zur Stärkung der Demokratie per se und plurale und demokratische Jugendhilfe, -arbeit und -politik im Speziellen in Frage. (11)
- Die AfD hetzt gegen Minderheiten. Dies zeigt sich regelmäßig in Redebeiträgen oder Kampagnen über verschiedene Bevölkerungsgruppen. So wertet sie den gleichberechtigten Zugang zu schulischer Bildung für Kinder mit Behinderung als Ideologieprojekt ab (12), bezeichnet Anstrengungen zur Gleichberechtigung der Queeren Community als "Genderpropaganda" (13) und heizt die Debatte um Fluchtmigration mit rassistischen Aussagen wie "Abschieben schafft Wohnraum" an. (14)
Übernahme rechter Narrative durch Politiker*innen anderer Parteien gefährdet demokratischen Zusammenhalt
Wir beobachten mit großer Sorge, dass demokratische Parteien und Politiker*innen die Positionen der AfD übernehmen und damit zu einer Normalisierung von extrem rechten und menschenfeindlichen Positionen beitragen. Das Framing von Maßnahmen gegen die Klimakrise als „Umerziehung“ und „antidemokratisch“ halten wir für gefährlich, weil es das Bild der Bundesregierung als ein diktatorisches Regime zeichnet. Das ist faktisch falsch, delegitimiert demokratische Wahlen und erhöht die Gefahr, dass sprachliche in physische Gewalt umschlägt. Ähnliches beobachten wir in den Debatten um die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität und den Rechten von Geflüchteten. Es beunruhigt uns, dass das Infragestellen von Minderheitenrechten als Mittel zur Positionierung in Wahlkämpfen benutzt wird.
Wir sprechen nicht mit der AfD!
Wir machen uns für die Demokratie stark, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Wegen. Wir wollen uns nicht nur auf dem Papier von der AfD abgrenzen, sondern dies auch durch Haltung und Handeln verdeutlichen. Deshalb beschließt die Bundeskonferenz im Folgenden:
Die Kolpingjugend bietet der AfD und ihren Positionen keine Bühne.
Die Kolpingjugend lädt die AfD sowie ihre Vertreter*innen nicht zu ihren Veranstaltungen ein und nimmt genauso keine Einladungen der AfD wahr.
Die Kolpingjugend scheut dabei jedoch nicht, sich öffentlich gegen die AfD zu positionieren und Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu benennen und zu verurteilen.
Die Kolpingjugend ermutigt ihre Untergliederungen, sich als wichtiger Teil der Zivilgesellschaft aktiv und offen gegen Demokratiefeindlichkeit und Rechtsextremismus zu positionieren, sich mit ihren Stimmen an Kundgebungen und Demonstrationen zu beteiligen und dort als Jugendverband Gesicht für eine vielfältige, solidarische und offene Gesellschaft zu zeigen.
Demokrat*innen müssen den Rechtsruck gemeinsam stoppen
Die AfD darf für Demokrat*innen nie Partnerin zur Gewinnung von Mehrheiten sein. Die Kolpingjugend hält alle politischen Mandatsträger*innen, insbesondere diejenigen mit einer Kolpingmitgliedschaft, dazu an, aktiv gemeinsame (politische) Arbeit mit der AfD zu vermeiden.
- Wir fordern alle Menschen in politischer Verantwortung auf, sich der Macht ihrer Sprache und ihrer Forderungen bewusst zu werden und als Demokrat*innen keine menschenfeindlichen Positionen der AfD zu übernehmen.
- Wir fordern eine Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft. Die Jugendverbände als Werkstätten der Demokratie sind die Zukunft der demokratischen Zivilgesellschaft. Sie in ihrem vielfältigen Engagement zu stärken und zu schützen ist von grundlegender Bedeutung.
- Wir erwarten von Politiker*innen, dass sie Ideen und Visionen gestalten, die es ermöglichen, uns als Gesellschaft konstruktiv mit den multiplen Krisen unserer Zeit auseinander zu setzen.
- Wir erwarten, dass demokratische Parteien das ihnen mögliche unternehmen, trotz aller Meinungsverschiedenheiten gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus einzustehen.
Abschließend stellen wir fest, dass die Überzeugungen und Werte der AfD den Werten der Kolpingjugend widersprechen. Unserer Ansicht nach ist eine Mitgliedschaft in der AfD nicht vereinbar mit einer Mitgliedschaft im Kolpingwerk Deutschland.
Haltung zu zeigen und für eine inklusive Gesellschaft einzustehen, ist Basis unseres Handels. Daher fordert die Bundeskonferenz den Bundesvorstand auf, diesen Beschluss im Handeln des Kolpingwerks Deutschlands zu übernehmen und zu verankern.
Beschlossen durch die Bundeskonferenz der Kolpingjugend Deutschland am 24. September 2023.
(1) Vgl. „Wir stehen für ein Wir – Positionierung der Kolpingjugend Deutschland zum Grundsatzprogramm der AfD“ Buko 2017-1, https://www.kolpingjugend.de/service/beschluesse-protokolle/wir-stehen-fuer-ein-wir, 23.09.2023
(2) Vgl. „Wir stehen für ein Wir - Positionierung der Kolpingjugend Deutschland zum Grundsatzprogramm der AfD“ Buko 2017-1, https://www.kolpingjugend.de/service/beschluesse-protokolle/wir-stehen-fuer-ein-wir, 23.09.2023
(3) Riebe (2023): AfD-Jugend „gesichert rechtsextrem“: Schadet das der Mutterpartei, https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/afd-jugend-gesichert-rechtsextrem-schadet-das-der-mutterpartei-99909/, 23.09.2023
(4) Zwar musste die Einschätzung aufgrund eines Eilantrags vorübergehend zurückgenommen werden. Offiziell wird die JA also aktuell wieder als Verdachtsfall geführt. Das Verfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Tagesschau (2023) Nachwuchsorganisation der AfD. Junge Alternative zunächst wieder Verdachtsfall, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/junge-alternative-verdachtsfall-100.html, 23.09.2023
(5) Vgl. Kehlbach/ Bräutigam (2023): Verfassungsschutz. „Gesichert extremistisch“ – was folgt darauf?, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/verfassungsschutz-beobachtung-100.html, 23.09.2023
(6) Vgl.https://www.verfassungsschutz.de/DE/verfassungsschutz/der-bericht/vsb-rechtsextremismus/2022-vsb-rechtsextremismus_artikel.html, 23.09.2023
(7) https://jura-online.de/blog/2021/03/11/bfv-stuft-afd-als-verdachtsfall-ein-was-bedeutet-das/, 23.09.2023
(8) Übernommen aus der Positionierung des Deutschen Bundesjugendrings: Rechtspopulist_innen entgegentreten – zum Umgang der Jugendverbände und –ringe mit der AfD!, S.2; abrufbar unter 2016-DBJR-HA-Position_Rechtspopulist_innen-entgegentreten.pdf 23.09.2023
(9) Vgl. Alternative für Deutschland (2016): Programm für Deutschland. Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland, https://www.afd.de/wp-content/uploads/2023/05/Programm_AfD_Online_.pdf, 23.09.2023, S.18
(10) Vgl. Ayyadi (2023): Parlamentarische Anfragen: Die AfD versucht, Zweifel an der Demokratie zu nähren, https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/parlamentarische-anfragen-die-afd-versucht-zweifel-an-der-demokratie-zu-naehren-94873/, 23.09.2023, & vgl. Alternative für Deutschland (2016): Programm für Deutschland. Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland, https://www.afd.de/wp-content/uploads/2023/05/Programm_AfD_Online_.pdf, 23.09.2023, S.8
(11) Vgl. Hafeneger & Jestädt (2021): Jugend- und bildungspolitische Aktivitäten der AfD in 16 Landesparlamenten und im Bundestag. In: Hafeneger et al (2021): Die AfD und die Jugend. Wie die Rechtsaußenpartei die Jugend- und Bildungspolitik verändern will, S. 95
(12) Vgl. Pauli (2023): Debatte um Höcke-Aussage: Inklusion heißt nicht Sonderschule, https://taz.de/Debatte-um-Hoecke-Aussage/!5949598/, 22.09.2023
(13) Vorwurf der Volksverhetzung: Dragqueen-Lesung für Kinder. Münchener Pfarrer geht gegen AfD-Protestplakate vor, https://www.rnd.de/panorama/dragqueen-lesung-fuer-kinder-in-muenchen-pfarrer-zeigt-afd-plakate-an-6Y34FYD6PFAWHOKE6SMHQFFSXA.html, 23.09.2023
(14) Vgl. Bachmann (2023): Sie nehmen den Deutschen ihre Heimat!, https://afdbundestag.de/abgeordnete/carolin-bachmann/, 23.09.2023