Positionierung der Bundesleitung der Kolpingjugend Deutschland zum Synodalen Weg
Vor einem Jahr – im März 2019 – wurde der sogenannte Synodale Weg auf der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) beschlossen.
Den Anstoß, einen solchen Prozess zu starten, gab die Ende 2018 veröffentlichte MHG-Studie, die aufzeigte, dass die sexualisierte Gewalt durch Geistliche in der Kirche systemisch begünstigt wurde. Gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) soll eine strukturierte Debatte angestoßen werden. Es muss Aufgabe dieses Synodalen Weges sein, einen Horizont zu finden, der die katholische Kirche aus der selbst verursachten moralischen Krise herausführt. Die Veränderung der kirchlichen Strukturen spielt hierbei eine wichtige Rolle, damit die Kirche als Organisation auch in Zukunft ihrem Sinn und Zweck gerecht werden kann: Das Wort Gottes zu verkündigen, genauso wie die Bewahrung der Schöpfung und Frieden und Gerechtigkeit vorzuleben.
Die katholische Kirche in Deutschland muss Verantwortung für den sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen übernehmen und sich den daraus ergebenden Fragen stellen. Aus diesen traumatisierenden Erfahrungen muss gelernt und Konsequenzen müssen gezogen werden. Hierzu ist es wichtig, partnerschaftlich und auf Augenhöhe unter Beteiligung aller Gläubigen an Lösungen zu arbeiten. Wichtiger Bestandteil ist hier die Jugend, die sich ebenfalls auf den Weg macht, um ihre Kirche der Gegenwart und Zukunft aktiv mitzugestalten.
Wir unterstützen den Synodalen Weg. Wir sehen ihn als Chance und möchten diesen Weg mitgehen. Von vielen Seiten werden Forderungen geäußert. Das ist notwendig, denn auf diesem Weg sollen möglichst viele mitgehen. Es ist gerade deshalb wichtig, dass dieser Weg von jungen Menschen mitgestaltet wird. In diesem Sinne geben auch wir unsere Erwartungen und Forderungen mit auf den Weg.
Unsere Kirche muss ein Ort sein, an dem Gemeinschaft erlebbar ist, an dem Menschen füreinander da sind und einander vertrauen können. Sie darf durch vorhandene Machtstrukturen keine Angst schüren, sondern soll ein einladender Ort sein, an dem viele zur Ruhe kommen und Kraft tanken können. Auch soll sie ein Ort sein, an dem sich jede*r einbringen und beteiligen kann – eine Kirche für die Menschen. Es geht um eine Kirche, die die Frohe Botschaft sinnstiftend, erfüllend und befreiend verkündet¹.
Die Menschen, die den Synodalen Weg stellvertretend für uns gehen, haben sich in vier Foren zusammengefunden. Im Folgenden werden zu den einzelnen Foren Wünsche und Positionen vermittelt.
Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag
- Das Kolpingwerk Deutschland ist ein generationenübergreifender Verband, in dem sowohl in der Kolpingjugend als auch weit darüber hinaus Partizipation gelebt wird. Dies zeigt sich unter anderem durch demokratische Wahlen der Leitungsämter sowie eine gelebte Aufgabenteilung im Bereich von geistlicher Leitung, durch Lai*innen und Kleriker. Lai*innen und Kleriker müssen sich in der gesamten katholischen Kirche auf Augenhöhe begegnen und die Zukunft der Kirche gemeinsam gestalten. Darüber hinaus muss die katholische Kirche grundsätzlich demokratischer werden und die Meinungen aller Gläubigen, die gemeinsam Kirche sind, nicht nur hören, sondern wertschätzend anerkennen. Hier sind grundsätzliche Reformen notwendig.
Priesterliche Existenz heute
- Es ist zu beobachten, dass sich die Aufgabenfelder eines Priesters im Vergleich zu früher stark gewandelt haben. Der Bereich der Seelsorge ist dabei immer mehr in den Hintergrund gerückt, da der bürokratische Aufwand immer größer wird. Wir sehen die Aufgabe des Priesters vorrangig in der Seelsorge². Hierfür ist eine realitätsnahe, lebensnahe und attraktiv gestaltete Priesterausbildung unerlässlich. „Daher sind Strukturen, die es fördern, dass Priesteramtskandidaten unter sich bleiben bzw. eine vermeintlich elitäre Ausbildungssituation vorfinden, abzuschaffen. An die Stelle der Konvikts- und Seminarausbildung müssen neue und lebensnahe Wohn- und Begleitungsformen treten“³. Des Weiteren sehen wir, im Sinne einer weitergehenden Selbstbestimmung, einen optionalen Zölibat für die Priester der katholischen Kirche bzw. eine Angleichung an das System der katholischen Ostkirchen, welches ihren Priestern eine Heirat vor der Diakonenweihe mit Hinweis auf die Tradition der frühen Kirche gestattet, als notwendig an (vgl. cc. 373, 804 CCEO). (4)
Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche
- Um die katholische Kirche zukunftsfähig zu gestalten, muss die Rolle der Frau in der Kirche gestärkt werden. Hierbei ist es allerdings wichtig, das Thema „Frauen in der Kirche“ nicht auf das „Frauenpriestertum“ zu beschränken. Im Kolpingwerk und der Kolpingjugend sind Frauen neben Priestern und Diakonen bereits als geistliche Leitungen eingesetzt. Eine Aufwertung der Rolle der Frau und somit Gleichberechtigung der Geschlechter erwarten wir auch von der katholischen Kirche.
Leben in gelingenden Beziehungen - Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft
- Die heute gelebte Sexualmoral der katholischen Kirche entspricht nicht der Lebenswirklichkeit junger Menschen. Wir erwarten daher eine Weiterentwicklung der katholischen Sexuallehre und die Enttabuisierung des Themas im Rahmen des Synodalen Weges. Wir erwarten eine offene und aktive Auseinandersetzung mit Geschlechtervielfalt und die Anerkennung sowie das Respektieren von Personen unabhängig ihrer Sexualität. Es ist wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Toleranz und Offenheit zu schaffen. Des Weiteren fordern wir weitere Schritte zur Wiederzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur vollen Gemeinschaft mit der Kirche und den selbstverständlichen Umgang mit diesen.
Wie Papst Franziskus in seinem nachsynodalen Schreiben „Christus Vivit“ geschrieben hat, braucht es den Schwung der Jugend, ihre Intuition und ihren Glauben. Darum müssen sich besonders die Jugend und die jungen Erwachsenen in den synodalen Weg einbringen können und ernstgenommen werden. Dabei darf es keine Tabus geben, keine Angst vor Alternativen und keine Sanktionen. Der Prozess des synodalen Weges muss von Partizipation, Transparenz und Gleichberechtigung geprägt sein. Die Kirche braucht einen hoffnungsfrohen Horizont, auf den sie sich in der Gegenwart einstellen kann. Damit die Kirche eine Zukunft hat, müssen dafür jetzt die Weichen gestellt werden. Wir greifen damit den Aufruf Johannes Pauls II. auf, der zu Beginn des neuen Jahrtausends in seinem apostolischen Schreiben „Novo millennio ineunte“ dazu auffordert: „Gehen wir voll Hoffnung voran! Ein neues Jahrtausend liegt vor der Kirche wie ein weiter Ozean, auf den es hinauszufahren gilt.“ (5)
Die gemeinsam gefassten Ergebnisse und Beschlüsse des Synodalen Weges sind in allen (Erz-)Diözesen zeitnah umzusetzen. Für die Beschlüsse, deren Umsetzung nur in Rom erfolgen kann, fordern wir ein entschiedenes geeintes Vortragen und Eintreten der deutschen Bischöfe. Denn wie Adolph Kolping schon sagte: „Schön reden tuts nicht, die Tat ziert den Mann“ (und die Frau).
Die Positionierung wurde durch die Arbeitsgruppe Jugend und Kirche und die Bundesleitung der Kolpingjugend Deutschland erarbeitet.
¹ Kolpingwerk Deutschland: Es braucht ein mutiges und zielorientiertes gemeinsames Handeln!: (https://www.kolping.de/presse-medien/news/erklaerungen/pressemitteilung-details/news/es-braucht-ein-mutiges-und-zielorientiertes-gemeinsames-handeln/, abgerufen am 21.02.2020)
² Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Decretum „Presbyterorum ordinis“: AAS 58 (1966), 991-1024, 995-1001.
³ BDKJ: Kirche bewirbt sich! Neue Wege und Bedingungen für junge Menschen in pastoralen Berufen (https://www.bdkj.de/fileadmin/bdkj/bilder/HV/Hauptversammlung_2018/180506_Beschluss_Kirche_bewirbt_sich.pdf, abgerufen am 21.02.2020)
(4) Johannes Paul II, Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium: AAS 82 (1990), 1033-1364.
(5) Johannes Paul II: Epistula Apostolica „Novo millennio ineute“ 58: (http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_letters/2001/documents/hf_jp-ii_apl_20010106_novo-millennio-ineunte.html, abgerufen am 20.02.2020)