Wir begrüßen den Plan der Bundesregierung den § 219a StGB abzuschaffen und stellen uns damit gegen den Beschluss des Bundesvorstandes sowie alle Argumente, die die Debatte um § 219a und § 218 StGB vermischen. Die Abschaffung des § 219a ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt, denn er schafft mehr Sicherheit für schwangere Personen und Ärzt*innen. Auch wenn 2019 bereits eine Anpassung des Paragraphen stattgefunden hat, der erlaubt, dass Praxen auf ihrer Internetseite nun darüber informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist diese Änderung nicht ausreichend. Bis heute dürfen Ärzt*innen nicht über die medizinischen Methoden informieren, mit denen sie einen Abbruch durchführen und ob und unter welchen Umständen diese Eingriffe von der Krankenkasse übernommen werden und sie müssen eine Strafverfolgung fürchten, wenn sie es tun. Diese Rechtslage finden wir inakzeptabel und befürworten deshalb den Beschluss des Bundeskabinetts, den Paragraphen abzuschaffen.

Bedenken, die insbesondere von Gegner*innen einer solchen Abschaffung angeführt werden und mitunter eine Kommerzialisierung oder gar Banalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen befürchten, treten wir entschieden entgegen, denn:

  • Bereits die "(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte" untersagt in § 27 MBO-Ä berufswidrige Werbung. Berufswidrige Werbung ist eine “insbesondere anpreisende [...] Werbung”. Es steht demnach nicht zu befürchten, dass mit einer Abschaffung des § 219a grob anstößige, irreführende oder anpreisende Werbung von Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, zu erwarten ist. Da bereits ein Werbeverbot für Ärzt*innen existiert, handelt es sich beim § 219a StGB um ein Informationsverbot.
  • Die Abschaffung des § 219a StGB schafft mehr Rechtssicherheit für Ärzt*innen. Die aktuelle Rechtsprechung ist uneinheitlich und bietet Auslegungsspielräume, die geeignet sind Druck auf Ärzt*innen auszuüben und in gerichtlichen Prozessen darüber zu entscheiden, was im Einzelfall zulässige Information oder strafbewehrte Werbung ist. Es ist nicht akzeptabel, dass Ärzt*innen, die über diesen Eingriff informieren, bedroht oder angezeigt werden.
  • Die aktuelle Version des Paragraphen erlaubt es Ärzt*innen lediglich zu benennen, ob sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sie dürfen aber zum Beispiel keine Informationen dazu bereitstellen, welche Methode(n) sie verwenden und unter welchen Umständen die Krankenkasse für den Eingriff aufkommt. Das führt dazu, dass es schwangeren Personen schwerer gemacht wird, sich über einen invasiven Eingriff in ihren Körper umfassend zu informieren.
  • Die Gleichsetzung von “Information” mit “Werbung” ist diskriminierend. Sie unterstellt, dass schwangere Personen die Informationen, die ihnen zur Verfügung stehen, nicht selbst angemessen einordnen und zu einer informierten Entscheidung kommen können. Sie unterstellt, dass auch sachliche und fachliche Informationen wie Produktwerbung wirken, schwangere Personen dies nicht unterscheiden könnten und sich dadurch manipulieren ließen.
  • Ein Beratungsangebot kann durch die Abschaffung von § 219a StGB verbessert werden, da schwangere Personen sich vorab Informationen suchen können und die Beratung individueller auf die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten werden kann. Zusätzlich muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Schwangerschaftsabbrüche in einigen Gegenden in Deutschland nicht mehr zugänglich sind.
  • Der freie Zugang zu sachlich richtigen Infor-mationen darf in einem demokratischen Staat nicht verboten sein, auch wenn diese kontrovers diskutiert werden. Demokratie lebt davon, dass kontroverse Diskussionen auch zu emotional schwierigen Themen geführt werden und auf sachlicher Informationsbasis beruhen. Den Zugang zu Informationen schwer zugänglich zu machen, entspricht nicht dem demokratischen Grundsatz.
  • Wir sind der Überzeugung, dass der beste Schutz für ungeborenes Leben besteht, wenn schwangere Personen die Sicherheit haben, sich sicher und umfassend informieren zu können. Dazu gehört es, dass sich schwangere Personen sachlich und seriös bei Fachleuten informieren können. Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, gehören unumwunden zu dieser Gruppe. Das Schutzkonzept für ungeborenes Leben bleibt dabei auch ohne § 219a gesichert. Die Beratungsregelung und das darauf basierende Schwangerschaftskonfliktgesetz bleiben hiervon unberührt. Verantwortung kann am besten die schwangere Person übernehmen, die sich umfassend informieren kann. Keine schwangere Person trifft die Entscheidung, schwanger zu bleiben oder nicht, leichtfertig.

Beschlossen durch die Bundeskonferenz der Kolpingjugend Deutschland am 20. März 2022.