Die Kolpingjugend Deutschland fordert die kommende Bundesregierung zu generationengerechtem Klimaschutz auf

Die Klimakrise ist die größte politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung unseres Jahrhunderts. Wir sehen, dass der Klimawandel bereits heute weltweit schwere Schäden verursacht. Extremwetterereignisse sind längst nicht mehr nur ein Problem des globalen Südens. Starkregen, der ganze Gebiete überschwemmt, Hitzewellen, die nur schwer zu löschende Brände verursachen, Dürrephasen, die Ernten bedrohen und zerstören. Aber auch andere Krisen hängen unmittelbar mit der Klimakrise zusammen: Biodiversitätskrise, Ressourcenkrise, Gesundheitskrise, Soziale Krise, Gerechtigkeitskrise etc. Die Klimakrise stellt damit auch eine große Gefahr für Frieden und Wohlstand dar.

Die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen von heute und morgen haben ein Recht auf eigene Gestaltungsspielräume. Dafür braucht es jetzt die richtige Politik. Damit die Erde lebenswert bleibt, setzen wir uns als Kolpingjugend für Klimaschutz und die Einhaltung der Pariser Klimaziele ein. Dabei geht es uns um etwas Wesentliches: Die Bewahrung der Schöpfung. Denn ohne die natürlichen Grundlagen ist kein Leben auf der Erde möglich. Wir stellen jedoch fest, dass die bisherigen anvisierten Maßnahmen der Politik nicht ausreichen, um den Klimawandel aufzuhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst festgestellt, dass das Klimaschutzgesetz von 2019 zu kurz greift und ausreichende Vorgaben für die Emissionsminderung ab 2031 fehlen.

Da in dem Gesetz lediglich Maßnahmen für eine Verminderung der Emissionen bis zum Jahr 2030 festgelegt sind, würden die Auswirkungen und Gefahren der Klimakrise auf die Zeiträume danach und damit zu Lasten der jüngeren Generation verschoben werden. Um das 1,5 -Grad-Ziel und Klimaneutralität dann noch zu erreichen, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Maßnahmen so kurzfristig und drastisch erfolgen, dass damit zum Teil die Freiheitsrechte junger Menschen in der Zukunft verletzt würden.¹

Dieses Urteil ist historisch und zeigt uns erneut: Es bleibt wenig Zeit, um die Klimakrise aufzuhalten, bzw. sie auf ein händelbares Maß zu begrenzen. Tun wir zu wenig – und wir wollen es ganz deutlich sagen: „Ein bisschen Klimaschutz“ reicht nicht mehr! – dann werden die daraus hervorgehenden Schäden um ein Vielfaches teurer sein als die konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz. Dann wird aus dem Klimawandel eine globale Klimakatastrophe.

Jüngst erst wurde der neue Bericht des Weltklimarats (IPCC) veröffentlicht, in welchem festgehalten wird, dass die Folgen der Erderwärmung immer deutlicher werden und der angestrebte Klimaschutz nicht ausreicht. So droht laut Bericht bereits 2030 eine Erderwärmung von 1,5 Grad – das sind 10 Jahre früher als bisher vorausgesagt².

Der Earth Overshoot Day – oder Welterschöpfungstag – ist der Tag, an dem wir alle natürlichen Ressourcen verbraucht haben, die die Erde innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann. Berechnet wird er seit 1970, damals noch am 1. Dezember, war er dieses Jahr bereits am 29. Juli.  Seit Jahren findet der Earth Overshoot Day jedes Jahr etwas früher statt. Nur im letzten Jahr hat er sich – aufgrund der Corona-Pandemie und dem dadurch reduzierten Ressourcenverbrauch – das erste Mal seit vielen Jahren nach hinten verschoben, auf den 22. August 2020. Eine Verschiebung des Datums ist also möglich, wenn wir ressourcenschonender und nachhaltiger leben.

So wichtig Eigenverantwortung auch ist, braucht es in erster Linie eine übergeordnete Strategie und ein klares Ziel, wie wir als Gesellschaft die Klimakrise bekämpfen wollen. Dafür brauchen wir verbindliche und konkrete Lösungsansätze für alle und eine konsequente Umsetzung dieser. Zahlreiche Wissenschaftler*innen haben bereits Lösungsvorschläge entwickelt. Diese umzusetzen ist notwendig, um die globale Erwärmung auf weniger als 1,5 Grad zu begrenzen.

Ein Oxfam Bericht aus September 2020³ zeigt: Die reichsten 10 Prozent der Menschen (ca. 630 Millionen) machten 52 Prozent der kumulierten Emissionen aus, wodurch das globale CO2-Budget für 1,5 Grad um fast ein Drittel (31 Prozent) erschöpft ist. Auf die 40 Prozent der Menschen in der globalen Mittelschicht (ca. 2,5 Milliarden Menschen) entfielen 41 Prozent der kumulierten Emissionen und 25 Prozent des CO2-Budgets, während die ärmsten 50 Prozent nur 7 Prozent der kumulierten Emissionen und 4 Prozent des Budgets ausmachten.

Deshalb haben Europa bzw. Deutschland so eine große Verantwortung. Wir können einen großen Unterschied machen und dürfen die Verantwortung nicht auf andere Länder abschieben. Wir müssen bei uns anfangen.

Die Politik der neuen Bundesregierung muss im Zeichen des Klimaschutzes stehen!

Wir fordern Klimaneutralität bis 2030
Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Staaten auf das gemeinsame Ziel verständigt, die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad– möglichst sogar 1,5 Grad – gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (4). Nach aktuellem Forschungsstand muss Deutschland, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bis spätestens 2030 klimaneutral werden (5). Konkret bedeutet das, dass Deutschland bis 2030 nicht mehr CO2 produzieren darf, als in einem Jahr von der Natur oder Speichersystemen wiederhergestellt werden kann. Innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre müssten die deutschen Treibhausgas-Emissionen etwa halbiert werden. Dies stellt eine enorme Herausforderung dar, die aus technischer und ökonomischer Sicht grundsätzlich jedoch möglich ist. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob es von der Politik konsequent fokussiert und zum zentralen Gegenstand ihres politischen Gestaltungswillens gemacht wird. Die aktuell bestehenden Zielvorgaben der Bundesregierung reichen hierfür immer noch nicht aus! Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von April hat die Bundesregierung das geänderte Klimaschutzgesetz vorgelegt, das im Juni beschlossen wurde. Dieses sieht Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 vor. (6) Wir fordern von der Politik, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Grundlage ihres Handelns zu machen und jegliche Politik strikt am Klimaschutz auszurichten.

Wir fordern 100 Prozent Stromversorgung aus erneuerbaren Energien bis 2035
Zum Erreichen der Klimaneutralität kommt dem Energiesektor eine besondere Bedeutung zu. Die Energiewirtschaft war 2019 für rund 30 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich (7.) Durch erneuerbare Energien kann der Ausstoß von Treibhausgasen vermieden werden. Den Ausbau der erneuerbaren Energien hin zu einer vollständig erneuerbaren Stromversorgung massiv zu beschleunigen, ist deshalb unerlässlich. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass eine sichere Energieversorgung in Deutschland auf der Grundlage von 100 Prozent erneuerbaren Energien möglich ist. Dies erfordert jedoch neue und konsequente energiepolitische Maßnahmen. Daher fordern wir den Kohleausstieg bis 2030. Gleichzeitig braucht es beim Ausbau erneuerbarer Energien eine stärkere Beteiligung der Kommunen, auch an den Einnahmen, um die gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung für den Ausbau zu erhöhen. Energie muss dabei für alle bezahlbar bleiben, der Ausbau muss sozialverträglich umgesetzt werden. Ein Teil des Bedarfs erneuerbarer Energien wird voraussichtlich trotzdem auch zukünftig noch aus anderen Ländern importiert werden müssen. Um eine ausreichende Verfügbarkeit sicherzustellen, muss deshalb frühzeitig mit anderen Ländern zusammengearbeitet werden.

Wir fordern einen europäischen und internationalen Klimaschutz
Eine wirksame Klimapolitik kann nur gemeinsam gelingen. Mit dem European Green Deal hat die EU ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm vorgelegt. Nun müssen jedoch ziemlich bald entscheidende Schritte getan werden. Budgetmittel müssen dafür an Klimaziele gekoppelt werden. Das heißt, geförderte Aktivitäten dürfen die Klimaziele der EU nicht gefährden. Außerdem muss weltweit mehr in innovative Forschung investiert werden und vorhandene Technologien müssen auf einem bezahlbaren Niveau bereitgestellt werden, auch für Länder, die sich diese nicht selbst leisten können. Die EU muss eine Vorreiterrolle beim internationalen Klimaschutz einnehmen und insbesondere den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht werden. Denn es sind vor allem die Länder des globalen Nordens, die Hauptverursacher von Klimaschäden sind, während die Länder des globalen Südens am stärksten unter deren Folgen leiden. Die deutsche Bundesregierung muss sich deshalb aktiv dafür einsetzen, jetzt die richtigen Weichen zu stellen, um diese Ziele auch konsequent zu verfolgen und nicht hinter die gemeinsamen Absprachen zurückzufallen. Dazu müssen schnellstmöglich konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.

Wir fordern einen generationengerechten Klimaschutz, bei dem junge Menschen wirksam an der Klimapolitik beteiligt werden
In den vergangenen Monaten sind weltweit Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gemeinsam auf die Straße gegangen, um für einen Wandel in der Klimapolitik zu demonstrieren. Denn für junge Menschen haben die Entscheidungen, die heute getroffen werden, lebenslange Auswirkungen. Politiker*innen und sonstige Verantwortungsträger*innen müssen die Anliegen und Bedürfnisse junger Menschen bei ihren Entscheidungen deshalb besonders stark berücksichtigen. Die Folgen der Klimakrise müssen deshalb heute verhindert und dürfen nicht auf zukünftige Generationen abgewälzt werden. Die Beteiligung junger Menschen an der Klimapolitik muss hierfür institutionalisiert werden.

Aus Verantwortung gegenüber der heute jungen und aller kommenden Generationen ist es dringend geboten, diese Ziele zeitnah und konsequent zu verfolgen. Die Auswirkungen des Klimawandels werden in Zukunft weiter zunehmen und unsere gewohnten Lebensverhältnisse grundlegend verändern. Deutschland hat die besten Voraussetzungen, die Klimakrise zu bewältigen. Dafür sind die kommenden Jahre entscheidend. Deshalb muss die neue Bundesregierung in der kommenden Legislaturperiode alles dafür tun, die festgelegten Ziele zu erreichen und sich in Europa und weltweit als Vorreiter für den Klimaschutz einsetzen – zur Bewahrung der Schöpfung und damit die Erde für nachfolgende Generationen lebenswert bleibt.

Beschlossen durch die Bundeskonferenz der Kolpingjugend in Köln, am 25. September 2021

¹ Bundesverfassungsgericht Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 29. April 2021, abrufbar unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html (04.08.2021)

² https://www.tagesschau.de/ausland/europa/weltklimarat-bericht-klimawandel-101.html

³ Oxfam (2020): Confronting Carbon Inequality: Putting climate justice at the heart of the COVID-19 Recovery.  Abrufbar unter https://www.oxfam.de/system/files/documents/20200921-confronting-carbon-inequality.pdf (24.08.2021)

(4) „Zu den fast 190 Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens zählen auch die EU und ihre Mitgliedstaaten. Die EU hat das Übereinkommen am 5. Okto-ber 2016 formell ratifiziert. Somit konnte es am 4. November 2016 in Kraft treten. Damit es in Kraft treten konnte, mussten mindestens 55 Länder, die für min-destens 55 % der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, ihre Ratifikationsurkunden hinterlegen.“ (Europäische Kommission: „Übereinkommen von Paris“, abrufbar unter https://ec.europa.eu/clima/eu-action/international-action-climate-change/climate-negotiations/paris-agreement_de, 04.08.2021)

(5) Wuppertal Institut für Klima, Umwelt Energie gGmbH (2020): CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze, abrufbar unter https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/7606/file/7606_CO2-neutral_2035.pdf (04.08.2021)

(6) Die Bundesregierung (2021): Klimaschutzgesetz 2021. Generationenvertrag für das Klima, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/klimaschutzgesetz-2021-1913672 (03.08.2021)

(7) s. Fußnote 3

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